nach Kim de l’Horizon und George Sand
In Ein Körper : Mein Fließen beschäftigen wir uns mit den Dingen, die wir ungefragt weitertragen: Geschlechter, Traumata, Klassenzugehörigkeiten. Wir haben uns für zwei Texte entschieden, die dem schon lange geführten Diskurs eine literarische Klammer geben. In zwei parallel stattfindenden Vorstellungen wird Blutbuch von Kim de l’Horizon und Gabriel von George Sand gezeigt. In der Pause wechselt das Publikum den jeweiligen Vorstellungsraum. Die dramaturgische Struktur des Abends soll einerseits den Dialog zwischen dem 19. und dem 21. Jahrhundert unaufdringlich beim Zuschauenden entstehen lassen und andererseits durch die Zufälligkeit der Reihenfolge der gesehenen Stückteile eine vorschnelle Historisierung verhindern.
Blutbuch:
Ein Brief an die demente Großmutter ist der Versuch, im Schreiben eine Ausdrucksform für das eigene Ich, das eigene Sein zu finden.
Die Erzählfigur, die sich weder als Mann noch als Frau identifiziert und den eigenen Körper als Fließendes wahrnimmt, stemmt sich gegen die Schweigekultur der Mütter und forscht nach der nicht tradierten weiblichen Blutslinie. Dabei wird die Sprache permanent hinterfragt und auf ihre emotionale Zuverlässigkeit hin überprüft.
Mit ungeheurer Wucht erzählt Blutbuch von Identitätssuche und Identitätsverweigerung, Lust und Scham. Es ist ein Erzählen als existenzielle Obsession, flüssig und strömend, das nicht festlegt, sondern öffnet.
Gabriel:
…wird als Fürstenenkel geboren und in idyllischer Abgeschiedenheit als Junge erzogen, um einen legitimen Nachfolger zu stellen. Als sie der Obhut ihres Großvaters entflieht erkennt sie, dass sie von der Außenwelt als weiblich wahrgenommen wird. Ein kompliziertes Verhältnis zum Cousin bis hin zur Liebesgeschichte ist der Beginn ihres Ringens um Identität und Geschlechterzugehörigkeit bis ihr ihr Freiheitsdrang schließlich zum Verhängnis wird. George Sand lebte mit Verve gegen die Konventionen ihrer Zeit an: Sie trug oft Männerkleidung, ließ sich früh scheiden und hatte Liebesbeziehungen mit Männern und Frauen. In keinem ihrer Werke hat sie sich mit Geschlechterrollen und -normen so persönlich und unkonventionell auseinandergesetzt wie in Gabriel.